Sonntag, Februar 17, 2013

Von den letzten Zuckungen der Großen Sattheit

Bei dem Finanzchaos ist ein Jeder, der den schrumpfenden Kreisen der noch halbwegs "Etablierten" angehört, dauernd direkt oder um ein paar Ecken herum an der Ausbeutung völlig Wehrloser beteiligt. Man kann nicht alles boykottieren; kann sich höchstens mit dem Gedanken trösten, daß man zu jedem Moment auch selbst aus seiner relativen Bewegungsfreiheit zu den völlig Wehrlosen rübergeschoben werden kann.

Um überleben zu können, müssen die Firmen knapp kalkulieren; und dadurch kommt es automatisch zu katastrophalem Mißbrauch (von dem nur vereinzelte Spritzer ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gelangen)

Extreme Ausbeutung gab es auch während der "satten Jahre"; nur nicht ganz im heutigen Umfang und nicht ganz so sehr vor der eigenen Haustür.

Auch die Fluggesellschaften, zum Beispiel, müssen, um überleben zu können, knapp kalkulieren, da sonst die Zahl derjenigen, die ihre Dienste noch nutzen können, katastrophal abnimmt.

Der Durchschnittspassagier merkt vielleicht manchmal, daß bei der Versorgung an Bord nicht immer alles so ist, wie er es wünscht. Daß bei der knappen Kalkulation wo immer möglich Abstriche an der Wartung der Flugzeuge gemacht werden müssen und daß, da das Einstellen weiterer Piloten zu teuer käme, die vorhandenen bis zur Übermüdung im Einsatz sind – merkt man weniger.

Fliegen wird immer gefährlicher; und selbst wer das weiß – fliegt trotzdem. Weil wir unter den heutigen Bedingungen auf Mobilität angewiesen sind.

So lang halt, bis gar nix mehr oder fast gar nix mehr läuft.

Zu lang ließen wir uns durch die Sattheit einlullen und schlummerten stillvergnügt vor uns hin. Und nun haben wir den Salat.

Schwierig.

Donnerstag, Februar 07, 2013

Von echten und unechten Doktortiteln

Etikettenschwindel ist möglich bei einem Publikum, das den Sinn für Inhalt verloren hat und sich ausschließlich an Etiketten orientiert

(Wilhelm von Dorten)

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In Deutschland greift die Mode um sich, doktortitelbewehrte Politiker zu überprüfen, ob besagte Titel unter Beachtung der Spielregeln erworben wurden.

Was insofern sinnvoll sein kann, als dadurch dem breiten Publikum sonst verborgen bleibende Scheinheiligkeiten sichtbar werden.

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Ansonsten stellt sich die Frage, ob bei inhaltsblindem Publikum nicht jedes beliebige Etikett als Augenwischerei und Schwindel zu betrachten ist: Da es doch auf etwas hinweist, was sich der Urteilsfähigkeit des Konsumenten entzieht?

So daß, zum Beispiel, bei einem akademischen Titel es ohne jeden Belang wäre, ob selbiger unter Beachtung irgendwelcher vorgeschriebener Regeln erworben wurde, oder ob man ihn unter deren Mißachtung erschwindelt hat?

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Könnte sein. Wär möglich.

Eben.

Sonntag, Februar 03, 2013

Von Gurus und Politikern

Weder Guru möchte ich sein noch Politiker.

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Als Guru kannst du den größten Blödsinn verzapfen, den deine Anhängerschaft dann zur Weisheit zurechtdeutet; als Politiker mußt du, umgekehrt, bei jeder Bewegung darauf achten, daß man dir – so man dich weg haben will oder die die Journaille auf der Suche nach neuen Skandalen ist – daraus keinen Strick drehen kann.

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Moderne Gurus müssen nicht dauernd im Lotossitz herumhocken und dürfen sich normal kleiden. Was natürlich gut ist.

Aber es ist trotzdem nervig, wenn einem jeder Blödsinn zur Weisheit verdreht wird. Nicht einmal von Herzen herumblödeln kann man noch.

Manche beginnen der Einfachheit halber irgendwann, es ihren Anhängern nachzutun und sich auch selbst für unfehlbar zu halten.

Und werden darüber genau so einfältig wie ihre Anhänger.

Doch selbst wenn man dieser Gefahr nicht zum Opfer fällt, isses immer noch nervig.

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Als Politiker wird man gut gefüttert; was zweifellos positiv ist.

Aber dafür lauern jede Menge Gefahren.

Guckt man einer Journalistin in den Ausschnitt, ist man sexistisch, guckt man ihr nicht in den Ausschnitt, ist man verklemmt. Geht man an einer am Wege liegenden Bananenschale vorbei, ohne sie aufzuheben, so fehlt einem der Sinn fürs öffentliche Wohl; hebt man die Bananenschale auf und tut sie in den Abfallkübel, so macht man die Straßenfeger arbeitslos und hat keinen Sinn für den Arbeitsmarkt; rutscht man auf der Bananenschale aus, so fehlt einem die für das Amt benötigte Standfestigkeit.

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Alles in Allem: Guru oder Politiker soll werden, wer Lust hat; für mich wäre das nichts.

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So isses

Samstag, Februar 02, 2013

Zwei Tyrannen

StepanStalin

Bei Nachrichten, auch bei Nachrichten aus der russischen Presse, weiss man nie so genau, was in welchem Maße stimmt und was in welchem Maße ernst gemeint ist.

Zwei Nachrichten, die am gleichen Tag, und zwarnämlich am ersten Februar 2013, auf der russischen Nachrichtenseite Smartnews.ru erschienen, über zwei nicht sehr weit auseinanderliegende Städte an der Wolga.

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Die erste betrifft die Stadt Samara.

Dort schickt man sich an, dem Stepan Rasin ein Denkmal aufzurichten.

Und zwar nicht, im üblichen Sinn, als edlem Volkshelden und Volksbeglücker, sondern als blutrünstigem Tyrannen.

Was irgendwie erleichtert und zweifellos ein Fortschritt ist. Denn Stepan Rasin war, bei allem instinktiven Suchen nach "Gerechtigkeit", ein blutrünstiger Tyrann, der, wenn man ihn hätte machen lassen, auch weiter außer sinnlosem Gemetzel nichts zustandegebracht hätte. Ihn als Volkshelden zu führen ist zumindest nicht ganz sauber, und seine Entthronung zweifellos ein Fortschritt.

Man fühlt sich, eben, erleichtert.

Vielleicht auch nicht ganz so wichtig. Denn der Stenka ist schon lange tot und lebt höchstens noch klein wenig in Legenden weiter.

Aber eine gewisse Läuterung wäre es, wenn's stimmt, trotzdem.

Und auch ein Fortschritt.

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Etwas später geht dann die Rede von einer zweiten Stadt, ein Stück weiter südlich, wolgaabwärts gelegen, die ursprünglich den Namen Zarizyn trug, heute Wolgograd genannt wird und zwischendurch auch unter dem Namen Stalingrad bekannt war.

Die möchte man zurückbenennen in Stalingrad. Erneut benennen also nach jenem stumpfsinnigen blutrünstigen Tyrannen Jossif Wissarionowitsch Dshugaschwili, der sich Stalin nannte.

" Вице-премьер Дмитрий Рогозин в пятницу заявил о своем положительном отношении к идее переименования Волгограда в Сталинград"

"Der Vize-Premierminister Dmitri Rogosin hat am Freitag erklärt, daß er den Gedanken, Wolgograd in Stalingrad umzubenennen, positiv bewertet."

Det iss nu ein Hammer.

Zwar ist auch der Jossif Wissarionowitsch schon lange tot; aber noch nicht ganz so lange, und die Früchte seiner Taten sind noch nicht verblaßt; auch wenn manche sie nicht sehen wollen.

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Problem ist, daß es für die Sowjetunion nie etwas in der Art der Nürnberger Prozesse gegeben hat. Und wenn manche der sowjetischen Massenmörder hingerichtet wurden, so geschah das im Zuge interner Machtkämpfe, und nicht aufgrund objektiver Sichtung ihrer Schuld.

Wer nicht blind ist sieht natürlich, daß in Deutschland die Nazimentalität "in verwandelter Gestalt grimmige Gewalt" übt.

Aber daß man in Deutschland eine Stadt nach Stalins Kollegen in "Hitlerstadt" umbenennt – wäre undenkbar.

So isses.

Freitag, Februar 01, 2013

Warum ich so Beuys-allergisch bin

Dorten_Kuenstler

Josef Beuys hatte seinerzeit die Geistesgegenwart und den Mut, durch spritziges, den Rahmen des sterilen "allgemein Anerkannten" sprengendes Verhalten sich der dumpfen Verschorftheit unseres fortschrittlichen Daseins entgegenzustellen.

Durch sein Auftreten leistete er einen gewichtigen Beitrag, daß der verhärtete Grund an manchen Stellen aufgepflügt wurde.

Doch niemand ist perfekt; und so machte auch der Beuys ein paar offensichtliche Fehler (die aber sein Pionierverhalten in keiner Weise schmälern können).

Beuys machte, unter anderem, den Fehler, daß er anfing, verschiedene Äußerlichkeiten seines formensprengenden Tuns allzu ernst zu nehmen; so daß er, statt den Weg frei zu machen für lebendiges Gestalten, neue Verschorfungen schuf.

Und einen zweiten, mit dem ersten organisch verbundenen Fehler beging er: daß er nämlich gestattete, ihn zum Guru zu machen.

Dadurch versickerte der reale Kern seiner "sozialen Plastik" (möglicherweise von ihm selbst unbemerkt) in leerem Theoretisieren und belanglosen "sozialen" Spielereien, ohne daß er, dieser reale Kern, im realen Sozialen irgendwie fruchtbar werden könnte. Denn das reale Soziale wird von den Spielereien nur verdeckt.

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Wie sich in meinen Augen die erstarrte soziale Plastik ausmacht hab ich, ohne irgendwem zu nahe treten zu wollen und unter voller Anerkennung der realen Beuys'schen Leistung, mal hierselbst knapp skizziert.

So isses.