Samstag, Februar 12, 2011

Kulturelles

IMG_6642Vor ein paar Tagen in Budva, nach vergeblichem Versuch, in einer Buchhandlung irgendwas von Bulgakow oder sonstwem in saftigem aufbauendem Russisch zu finden, interessantes Gespräch mit Wladimir: Warum er keine Bücher liest.
Mit leichtem Gepäck kam ich nach Montenegro und bin dort gestrandet. Was geistige Nahrung betrifft bin ich auf Online-Bibliotheken angewiesen; ansonsten: Darben. Und zu alledem noch selber schreiben. Geht fast nicht.
In Budva wimmelt es von Russen. Sogenannte „neue Russen“; größtenteils ungebildetes Volks, das durch Bauernschläue und das postsowjetische Wirrwarr ausnutzende faule Tricks es zu Reichtum brachte. Die Stadt gehört praktisch ihnen. Wladimir mag sie nicht. Ich, nebenbei gesagt, auch nicht.
Solche lesen natürlich nicht; und vor solchem Hintergrund war es naiv, in Budva in einer Buchhandlung nach Bulgakow zu fragen.
Auch Wladimir liest nicht. In seinem Fall ist das erstaunlich. Ehemaliger Mitarbeiter der Tretjakov-Galerie; hat dann sein eigenes Museum gegründet. Hochintelligenter Bursche.
Mein Bedürfnis nach saftiger russischer Literatur verstand er.
Er erklärte mir, warum er selbst nicht liest:
Früher sei es immer wieder mal vorgekommen, daß gebildete fortschrittlich gesinnte Freunde ihm irgendwelche Bücher irgendwelcher moderner Autoren empfahlen. Gewissenhaft habe er am Anfang versucht, die empfohlenen Werke zu lesen; und da es jedes Mal sich so ergab, daß er das jeweilige Werk als ungenießbaren Mist beiseitelegen mußte, hörte er irgendwann auf, Bücher zu lesen.
Ich antwortete ihm:
daß es mir genau so ergangen ist; und zwar, als Zweisprachigem, sowohl mit russischen als auch mit deutschen neuen fortschrittlichen Autoren. Die Mechanismen, nach denen solche, der Sache nach meist völlig blasse und uninteressante Schreiber aufgebaut werden, verstand ich ziemlich früh; das läuft alles nach dem Muster, welches Hans Christian Andersen in seiner Erzählung „Des Kaisers neue Kleider“ vorgestellt hat. All dies erklärte ich ihm; mit dem Hinweis, daß ich, gleich ihm und dem Kind in jener Erzählung, nichts Verwerfliches daran finde, wenn ich den Kaiser nackt sehe. Ich kann ja nix dafür, daß er nix an hat....
Aufgrund solcher Erlebnisse und Einsichten haben mich aber nicht von der Literatur als solcher abgewandt, sondern nur ein gesundes Mißtrauen entwickelt gegen Modeschreiber und überhaupt gegen in sogenannten „soliden“ Verlagen erscheinende neuere Literatur: Ich schau mir das schon gar nicht mehr an.
Wladimir verstand das und meinte, daß im Bereich der Malerei und bildenden Künste genau die gleichen Kräfte und Mechanismen am Wirken sind.
Er lebt mehr mit den bildenden Künsten, hat sich, trotz allem, nicht von ihnen abgewandt und arbeitet weiter engagiert in diesem Bereich; während ich, mehr im sprachlichen Ausdruck lebend, allen Widrigkeiten zum Trotz mich in diesem Element weiterentwickle.
So wurschtelt jeder sich durch auf seine Weise….
So isses
Diesen Text findet man in dem Sammelband

"Einblicke in Abwege"



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